Castor-Umladung in Nordenham
Sechs Castoren wurden im Herbst 2020 von der englischen Wiederaufbereitungsanlage Sellafield zur Zwischenlagerung ins stillgelegte AKW Biblis transportiert. In Nordenham bei Bremerhaven wurden die Castorbehälter vom Schiff auf einen Zug verladen und dann quer durch Deutschland bis nach Biblis in Hessen gebracht. Aufgrund erwarteter Proteste gegen den Castortransport, wurde der Transport von einem großen Polizeiaufgebot begleitet.
Ursprünglich sollte der Transport im Frühjahr 2020 stattfinden, wurde aufgrund der Corona-Pandemie aber verschoben. Auch für den Transport im Herbst gibt es Kritik, denn er startet mitten in der zweiten Welle der Pandemie, wenige Tage vor dem zweiten „Lockdown“. Der niedersächsische Innenminister sowie die Polizeigewerkschaften kritisierten den Transport, das Infektionsrisiko wäre aufgrund der Proteste zu hoch, um den Transport zu diesem Zeitpunkt durchzuführen.
Dennoch legte am 27. Oktober 2020 das Spezialschiff „Pacific Grebe“ im englischen Hafen Barrow-in-Furness ab und machte sich auf den Weg Richtung Nordenham. Schließlich muss Deutschland internationaler Verpflichtungen erfüllen und den wiederaufbereiteten Atommüll zurücknehmen. Der letzte Castor rollte 2011 mit elf Castoren von La Hague ins Zwischenlager in Gorleben. Jetzt werden die Castoren dezentral in Zwischenlagern bei AKWs gebracht, bis es ein Endlager für hochradioaktive Abfälle gibt. Seit 2011 gab außer den fünf Castor-Transporten auf dem Neckar keine weiteren Transporte von Castoren in Zwischenlager.
Der Transport von Atommüll ist sicherheitsrelevant, weswegen genaue Standorte und Daten geheim gehalten werden. Die Atomkraftgegner:innen, die Protest gegen den Transport organsierten, rechneten mit der Ankunft des Schiffs in Nordenham am 31. Oktober. Deshalb gab es dort an diesem Tag bereits Proteste und eine dauerhafte Mahnwache an der Weser. Auch am Sonntag, dem 1. November gab es Protest. Morgens seilten sich Aktivist:innen von Robin Wood vom Bahnhofsgebäude des Hauptbahnhofs in Bremen ab und entrollten ein Transparent. In Nordenham und vielen anderen Städten auf den möglichen Zugrouten gab es Mahnwachen.
Tatsächlich kam das Schiff aber erst am Morgen des 2. November und braucht bis zum Mittag des 3. November zum Umladen der Castorbehälter auf den Zug. Um 19:35 Uhr verließ der rund 600 Meter lange Zug mit zahlreichen Personenwagen für die begleitenden Polizist:innen sowie sechs Castoren das Hafengelände in Nordenham und machte sich auf den Weg nach Biblis. Dort kam der Zug am Morgen des 4. November an, nachdem er kurz vor dem Ziel noch einige Stunden durch eine Schienenblockade von Aktivist:innen aufgehalten wurde.
Der nach gut neun Jahren erste Castortransport mit wiederaufbereiteten Atommüll verlief weitgehend planmäßig und wurde von verhältnismäßig wenig Protest begleitet. Der Atomausstieg der Bundesregierung 2011 scheint der Anti-AKW-Bewegung die Kraft genommen zu haben und neue Generationen wie Fridays For Future scheinen sich nicht wirklich für die Thematik zu interessieren. In Nordenham waren viele ältere Aktivist:innen aus dem Wendland, die die letzten Castortransporte vor der Haustüre hatten und den großen Protest von damals kennen. Dabei ist das Thema Atomkraft längst nicht vom Tisch. Aktuell beginnt die Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Abfall, dorthin müssen all die Castoren, die aktuell in den Zwischenlagern in der ganzen Bundesrepublik liegen gebracht werden. Währenddessen sind Lobbyverbände und Gruppen wie Nuklearia dabei für Atomkraft zu streiten. Sie sehen in moderner Atomenergie eine Antwort für den Klimawandel.