Die Dörfer die verschwinden

Der Kohleausstieg ist beschlossen, der Hambacher Forst scheint gerettet, aber trotzdem sollen rund 12 Dörfer in Deutschland den Erweiterungen der Tagebaue weichen.

Um Deutschland Braunkohlekraftwerke zu befeuern werden riesige Landstriche in Mondlandschaften verwandelt. Die Tagebaue, in denen die Braunkohle gefördert wird, fressen sich im Rheinland, der Lausitz und im Leipziger Land durch die Landschaft. Felder, Dörfer und Wälder, die auf Braunkohlevorkommen liegen, werden abgerissen, gefällt und abgebaggert. Mehr als 300 Dörfer wurden in der deutschen Geschichte der Braunkohle bereits abgerissen, um Braunkohle zu fördern. Rund 100.000 Menschen haben somit ihre Heimat verloren und wurden in neue Dörfer umgesiedelt. Die Kohlekommission hat den Kohleausstieg beschlossen und auch der Hambacher Forst, der im letzten Herbst in aller Munde war, scheint gerettet zu sein. Keine drei Kilometer vom Hambacher Forst entfernt liegt das Dorf Manheim.

Alt-Manheim

Manheim ist einer der letzten Orte, die in Deutschland noch der Vergrößerung von Braunkohletagebauen weichen muss. Der Ort soll nach Plänen der RWE Power AG ab 2022 vom Tagebau Hambach bergbaulich in Anspruch genommen werden. Seit 2012 werden die Bewohner:innen des Kerpener Stadtteils in den Ort „Manheim Neu“ umgesiedelt, der rund sechs Kilometer westlich des alten Ortes liegt. In den Jahren 2016 bis 2018 wohnten übergangsweise bis zu 400 Geflüchtete in dem Ort. Die beiden ehemaligen Formel-1-Rennfahrer Michael und Ralf Schumacher wuchsen beide in Manheim auf. Von den rund 1600 Einwohner:innen Manheims leben laut RWE aktuell noch rund 20 Familien in den wenigen Gebäuden, die noch stehen. Aufgrund von mehrfachen Hausbesetzungen durch Aktivist:innen aus dem nahegelegen und besetzten Hambacher Forst wird der Ort seit Herbst 2018 „verstärkt zurückgebaut“, wie RWE es formuliert. RWE reißt dabei die Gebäude in Manheim nach und nach ab. Die Kirche wurde im Laufe des Jahres 2019 entweiht und soll 2020 auch abgerissen werden. An Stellen, an denen im Frühjahr 2019 noch Abrissbagger arbeiteten ist Ende 2019 schon Gras gewachsen. An der Stelle, an der im Herbst 2018 noch leere Häuser besetzt wurden, befindet sich heute nur noch eine leere Straße ohne Häuser.


Rund 30 Kilometer weiter liegt der Tagebau Garzweiler. Auf seiner zukünftigen Fläche liegen sechs Dörfer. Immerath und Keyenberg sind zwei dieser Dörfer. Immerath ist fast vollständig zerstört, nur noch ein Hof ist im Dorf geblieben. Aber auch in den anderen Dörfern ist die geplante Umsiedelung spürbar. Dabei zeigen Untersuchungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), dass keine weiteren Dörfer mehr abgebaggert werden müssten. In Keyenberg stehen viele Häuser leer und es herrscht eine verlassene Stimmung, wenn man durch das Dof läuft.

Aber gegen den Abriss der letzten Dörfer gibt es Widerstand. Die Initiative „Alle Dörfer Bleiben“ setzt sich für den Erhalt der Dörfer und einen schnellen Kohleausstieg ein. Sie sagen, dass das Klima und die bedrohten Dörfer nicht dem Profitinteresse der Energiekonzerne zum Opfer fallen dürfen. Aus dem Protest zum Erhalt des Hambacher Forst haben die Betroffenen der Zwangsumsiedelung Hoffnung geschöpft und wollen bis zum Schluss kämpfen – im Rheinland, der Lausitz und im Leipziger Land.


Teile dieser Fotoreportage erschienen im April 2019 in der Taz: taz.de/braunkohledoerfer